Unsichtbar werden
Völlig unerwartet hat mich das Leben im Januar an einen ganz besonderen Ort geführt.
Dieser Ort lebt von seinen Bäumen, die dort seit Generationen in den Himmel ragen,
dem Flattern und Gezwitscher all der kleinen Vögel und dem weichen Licht,
welches alles irgendwie flimmern lässt, als wäre hier die Grenze zwischen den Welten besonders dünn.
Eine Kastanie am Rand zieht die Blicke auf sich, nicht nur weil sie umgeben ist
von einem Steinkreis, den der Vertraute dieses Ortes angelegt hat.
Sie ist auch einfach einer dieser Bäume, die einen zu sich rufen,
die man berühren möchte, denen man lauschen möchte.
Und genau das tue ich an einem sonnigen Vormittag.
Der Steinkreis nimmt mich bei sich auf, langsam umrunde ich die Kastanie.
Ich frage, ob ich mich ein Weilchen an sie lehnen darf und als Antwort kommt doch sofort
ein Windstoß und bringt ihre Äste über mir zum Rascheln.
Also lasse ich mich an ihrer Rinde nieder.
So stehe ich nun, geniesse die Wärme um mich herum.
Ein Specht klopft fleißig in der Nähe, Meisen umkreisen die Kastanie, ab und zu meldet sich der Wind.
Alles ist Ruhe, meine Finger haben es sich in den Furchen der Rinde bequem gemacht und ich vergesse zu denken.
Irgendwie bin ich nur noch Augen, Nase und Ohren, bin einfach da.
Die Zeit läuft unbemerkt an mir vorbei.
Doch dann meldet sie sich wieder, denn mich erreicht ein Rascheln im Laub,
irgendetwas kommt da.
„Wer ist das?“ frage ich mich und drehe meinen Kopf.
Nur um dann einen wunderschönen Otter zu sehen!
Ich bleibe stumm und warte, was passiert. Der Otter kommt näher,
schnüffelt hier und da, schaut sich in der Gegend um.
Aber mich da an diesem Baum sieht er nicht!
Ungefähr zwei Meter vor mir bleibt er schließlich stehen und kurz habe ich den Eindruck,
als würde er genau wie ich die Aussicht und Ruhe hier genießen.
Tja und dann verschwindet er im Gebüsch.
Ich bin so berührt, dass mir erst mal die Tränen kommen.
Was für ein wahnsinniges Geschenk wurde mir soeben gemacht...
Rational betrachtet ist es mir unerklärlich, warum der Otter mich nicht bemerkt hat.
Doch wenn ich mir mein Gefühl zurückrufe, ist es, als wäre ich total in diesen
Ort eingetaucht, mit ihm verschmolzen.
Ich war ein ganz natürlicher Teil davon und dieses Gefühl, dieser Moment ist eines der
großartigsten Dinge, die ich auf meinem Weg bis hier erleben durfte.
Nadine
1 Comment
Ich hoffe so sehr immer mehr Menschen wieder in diese Verbindung zurück finden die wir durch den Schamanismus „rückbesinnen“….
Es ist schon kaum zu beschreiben was es heißt in die umgebende Natur einzutauchen, ein kleiner, dazugehöriger Teil zu sein…mit zu schwingen…